Ironman WM Nizza 2025

Prolog: Hamburg, 1. Juni 2025

„Ich weiß nicht, ob ich weiß, was ich hier gerade tue…“ murmelte ich demütig vor mich hin, als ich tief im Schiffsrumpf der Cap San Diego die Kreditkarte zückte, um das bescheidene Startgeld für die Weltmeisterschaft in Nizza 2025 auf das Konto der Ironman Corporation zu schicken. Tags zuvor war ich beim Ironman Hamburg nach spektakulären Wetterkapriolen, aber einem ansonsten guten Rennen als 13. meiner Altersklasse 50-54 nach 09:37h durch den Zielbogen am Jungfernstieg gelaufen. Bei 10 WM-Slots in dieser teilnehmerstarken Altersklasse reichte das, um im Rolldown das Ticket zur Weltmeisterschaft zu lösen. Der Traum, den viele Triathleten ihr Leben lang träumen, ist für mich wahr geworden – Wahnsinn!

Nizza, Mitte September 2025

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Mit der Anreise am Donnerstag über eine verstaute Autobahn, Junggesellengegröhle im Partyflieger und inniger körperliche Nähe zu Wildfremden in der überfüllten Tram war das Nervigste schon überstanden. Unterlagenabholung, Ironkids-Run, Nicht-krank-werden, Pro-Panels in der Eventarena gucken, Startbeutel packen (und fünfmal kontrollieren), Wellenkampf im Salzwasser, Rad einchecken, bloß-nicht-krank-werden, noch mehr Geld im Merch-Store lassen – all das ließ die Tage bis zum Sonntag wie im Flug vergehen. Und dann war er da, der …

RACE DAY

Ich fand mich in einer etwas eigenartigen Stimmung am frühen Sonntagmorgen in der Wechselzone. Das Rad fertig präpariert, den ein oder anderen Smalltalk mit Athleten aus diversen Weltregionen gehalten, fühlte ich mich irgendwo zwischen glückselig, neugierig und angespannt. Mit einer Portion Galgenhumor summte ich in Erwartung des Kommenden das Motto des Tages vor mich hin …

„No stop signs, speed limit , Nobody's gonna slow me down […] I’m on the Highway to Hell  !

Und Startschuss! 3,8km im fantastisch klaren, azurblauen und mit 25,1° wohltemperierten Mittelmeer vor Nizzas prächtiger Kulisse an der Promenade des Anglais – nie zuvor hat mir das Schwimmen so viel Spaß gemacht – dass ich das mal sagen würde! Nach 1:14h entspannten Kraulens war es dann auch schon wieder vorbei, und zum Glück hatte ich das meiste Salzwasser im Meer gelassen und nicht verschluckt. Und doch war es nur die Overtüre, der knackig harte Bergkurs mit rund 2.500 hm stand bevor. Rund 10.000 Radkilometer hatte ich in diesem Jahr angesammelt, um adäquat vorbereitet zu sein auf dieses Monster von Radstrecke. Oder vielleicht lässt sie sich eher als eine gnadenlose und gefährliche Schönheit beschreiben: Wunderschöne Aussichten, spektakuläre Abfahrten, technisch anspruchsvoll - und gefährlich: Mindestens fünf teils übel aussehende Sturzopfer habe alleine ich am Rande der Abfahrten gesehen und ließen einem Schauer über den Rücken laufen und an das eigentliche Ziel denken: Heile in T2 ankommen.

Und das gelang auch: Nach 06:10h stieg ich erleichtert vom Rad – nicht gerade das, was ich mir für den Radsplit vorgestellt hatte, aber hey – Finishen war das Ziel, und ich bin heile von meinem mittlerweile waidwunden TT gestiegen – das Vorderrad schleifte an der Felgenbremse, der Lenker verstellte sich nach jedem weiteren der vielen Dutzend Speed Bumps immer mehr – der Kurs hat viel Tribut von Mensch und Maschine gefordert.

Jetzt hatte ich noch 9h Zeit bis zum Zielschluss – somit wusste ich, selbst mit 42 km lockerem Spazierengehen würde ich also noch finishen können. Das sportliche Ehrgefühl im WM-Umfeld ließ solcherlei Gebaren freilich nicht zu, also ging es im Laufschritt los. Da war ich also angekommen, auf dem Highway to Hell. Denn so wunderschön die Laufrunde von Nizzas Altstadt aus, die ganze Bucht entlang auf der Promenade bis zum Flughafen und wieder zurück mit dem Blick auf das Mittelmeer auch war – die mit jedem Kilometer zunehmende Erschöpfung ließ den Genuss des Anblicks wahrhaftig nicht mehr in angemessenem Maße zu. Es war eine sich zunehmend steigernde Quälerei (Chapeau an die vielen Zuschauer an der Strecke; die Stimmung war der Hammer; das half!), und 42km sind doch irgendwie verdammt lang.

Und wie schon in Hamburg wurde der Qatar-Airways-Torbogen für mich auf jeder Runde zum Sehnsuchtsort. Warum gerade der? Weil der kurz vor dem Rundenende bzw. Zieleinlauf kam – sehr geschickt platziert von Qatar Airways! Und so begann der in sportlicher Hinsicht vielleicht großartigste Moment meines Lebens mit dem vierten Durchlaufen dieses Tors, dem Abbiegen auf den Zielteppich, dem Abklatschen aller möglichen Zuschauer, High Five mit dem Athleten neben mir und dann – die Atmosphäre einsaugend („you are an Ironman!“) – die kleine Rampe zum Zielbogen hochgehen und GESCHAFFT ! Was für ein Gänsehaut-Moment, unbeschreiblich! Daylight-Finish, das ist nett, 11:13h ok, aber all das waren Details, es war das Finish, was zählte. Ich hatte es tatsächlich geschafft!

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„Pain is temporary, Glory is forever“

DANKE an meine Familie, die diesen Irrsinn das ganze Jahr lang unterstützt hat und an alle, die mein Rennen in Nizza (ein bisschen oder die ganze Zeit) mit verfolgt haben :)